Lebens- und Arbeitsrealitäten in Georgien

15 interessierte GewerkschafterInnen starten am 23. Mai 2018 nach Tiflis

Georgien ist ein Land  am Schnittpunkt zwischen Europa und Asien mit einer Jahrtausend alten Kultur, mit Gebirgsregionen bis 5000m, einer Küste am Schwarzen Meer und der Hauptstadt Tbilisi (Tiflis) mit 1,4 Mio. EinwohnerInnen.

Die Rechte der ArbeitnehmerInnen in Georgien wurden nach dem Zerfall der Sowjetunion völlig abgebaut und Arbeitsinspektorate abgeschafft. Mindestlöhne existieren nur am Papier und sind unvorstellbar niedrig (zwischen acht und 55 Dollar monatlich), der Anteil des informellen und prekären Arbeitsmarktes ist groß. Dazu gibt es trotz des offeneren Klimas immer wieder sehr ernste Auseinandersetzungen und Konflikte, Streiks stehen immer wieder auf der Tagesordnung. Grund genug, dass weltumspannend arbeiten gemeinsam mit der Gewerkschaft GTUC seit 2016 eine Gewerkschaftsschule nach österreichischem Modell aufbaut.

Bei unserer Begegnungsreise wollen wir uns mit unterschiedlichen AkteurInnen austauschen und uns mit der aktuellen Situation (Chancen, Herausforderungen, Erfolge) auseinandersetzen.

6. Tag, Nachmittag: Zuckerfabrik Agara – Versuch einer Wiederbelebung

1932 wurde zwischen Kutaisi und Gori die Fabrik Agara errichtet, die aus Zuckerrohr aus Brasilien und Kuba Zucker für den georgischen Markt produziert. Im Umfeld der Fabrik entstanden in der Folge die Unterkünfte der Beschäftigten und der gleichnamige Ort. Seit 2010 hat der Betrieb einen Besitzer aus Aserbaidschan. Der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft, die erst seit kurzem besteht, wird beim Gespräch mit uns umringt von zahlreichen Gewerkschaftsmitgliedern. Er weist mehrmals eindringlich darauf hin, dass die Konflikte mit dem Unternehmen beigelegt wurden und man mit dem neuen Direktor nun auf Augenhöhe verhandeln könne. Erreicht wurde das durch einen 49 Tage dauernden Streik und einen Marsch nach Tbilisi, durch den die beabsichtigte Schließung der Fabrik abgewendet werden konnte. Wegen der Umbauarbeiten zum Produktionsstart in 6 Wochen können wir den Betrieb nicht besichtigen.

6. Tag, Vormittag: Textilproduktion auf höchstem Niveau

In der Textilfabrik IMERI in Kutaisi berichtet die Vorsitzende der Gewerkschaft von der Verbundenheit der MitarbeiterInnen mit dem 1928 gegründeten Betrieb
(heute AG in georgischem Besitz). Aktuell produzieren 511 Beschäftigte, viele davon Nachfahren der ersten ArbeiterInnen, für langjährige Auftraggeber in Italien und Deutschland Kleidung im
Hochpreissegment. Durch die gute Ausbildung der MitarbeiterInnen (eigene Hochschul- und Collagelehrgänge kombiniert mit Praxis im Betrieb) kann höchste Qualität garantiert werden. Die
Betriebsratsvorsitzende (gleichzeitig Personalchefin!) weist auch auf die vielen Benefits für die Beschäftigten hin
(medizinische Betreuung, Kantine, …) und dass es im Betrieb kaum Probleme gibt. Ein interessanter Rundgang durch die Produktion rundet unseren Besuch bei IMERI ab.

5.Tag Woman Voice in Westgeorgien

Am Sonntag Vormittag besuchten wir die Aktivistinnen der NGO FUND SUKHUMI und wurden von ihnen herzlich aufgenommen.

Diese NGO beschäftigt sich mit Abchasienflüchtlingen und da vor allem mit Frauen.

Die Stiftung wurde in Sukhumi, der Hauptstadt von Abchasien, gegründet und musste wegen des Konflikts nach Kutaisi übersiedeln. Die Organisation gibt es seit mittlerweile 21 Jahren (1997), zuerst
war sie rein für Flüchtlinge des Abchasienkriegs, bald aber beschäftigt sie sich auch mit den Rechten der Frauen und mit Jugendlichen.

Sie sind 9 Munizipien in Imeretien aktiv und betreiben 10 Jugendclubs und 1 Schule.

Fund Sukhumi arbeitet auch mit stattlichen Institutionen und der Gewerkschaft zusammen.

Wichtig ist es auch Probleme aufzuzeigen, wo die Regierung aktiv werden soll.

Fund Sukhumi wird finanziell von EU, Brot für die Welt, ADA und verschiedenen Botschaften unterstützt. 

Es war eine große Freude, diese engagierten Frauen kennenzulernen!

Frauenpower in Kutaisi: Fotos

4.Tag: Manganabbau in Georgien

Eine 9-köpfige Delegation der Bergarbeitergewerkschaft von Chiatura hat uns in ihrem Büro in einem sehr desolaten Zweckbau gegenüber dem Bergbau-Multi Georgien American Alloys empfangen. Sie
stehen kurz vor einem Arbeitskampf! Die Gewerkschafter fordern endlich einen angemessene Lohnerhöhung – der Multi bietet läppische paar % und will keinerlei Verantwortung für die katastrophalen
Umweltbedingungen im Bergwerk, sowie in den umliegenden Dörfern übernehmen. Eine Besonderheit erfahren wir in dieser einst stolze Bergbaustadt! Gewerkschafter kämpfen nicht nur für ihre Rechte im
Betrieb, sondern agieren parallel als NGO aufgrund existenzbedrohender Umweltverschmutzung durch den profitableren Tagbau. 

3. Tag: aktive Gewerkschaftsarbeit bei den Eisenbahnern

Gewerkschafsvertreter der neuen Eisenbahnergewerkschaft berichten von ihren Herausforderungen und Erfolgen. 

Bei Bauprojekten für neue Bahnlinien wurde eine chinesische Baufirma beauftragt: die Arbeitsbedingungen und Löhne waren extrem schlecht.

Die Gewerkschafter gingen sogar mehrere Tage in Hungertreik um eine Verbesserung zu erreichen.