Unsere ersten Eindrücke von China

„Die Brücke“ Harmonie und Leistung

Nach Tagen eines desaströsen Dauerjetlags beginnen Körper uns Geist endlich wieder zu harmonieren und auf Touren zu kommen, um die unglaubliche Vielfalt von unserer facettenreichen Eindrücke der letzten Tage zu verarbeiten.Lies weiter

Ein Energiebündel an Gewerkschaftsfrau

Eine spannende Begegnung hatten wir in der Solarfabrik Canadian Solar in Suzhou. Neben einer Werkführung durch eine Verantwortliche der Öffentlichkeitsarbeit lernten wir auch Frau Shen, die Gewerkschaftsvorsitzende des Unternehmens kennen. Diese Begegnung bewies wieder einmal, dass man sich vor allzu einseitigen Interpretationen und Zuordnungen bezüglich der offiziellen Gewerkschaftsarbeit in China hüten soll. Generell heißt es ja, dass die offizielle Gewerkschaftsvertretung des ACFTU in China nur auf Seiten des Unternehmens steht, und sie eigentlich sehr wenig beiträgt zu einer offensiven Vertretung der Beschäftigten im Unternehmen.Lies weiter

Kaiserstadt Suzhou – Industrial Park der Superlative?

Am Mittwoch, 21.03 besuchten wir auf unserer Begegnungsreise Suzhou und Miba Precision Componentes Co. im Industrial Park.

Suzhou ist eine alte Kaiserstadt mit einer mehr als 2000 Jahre alten Geschichte. Sie wird auch Venedig des Ostens, wegen der vielen Kanäle in der Stadt, genannt. Suzhou ist ca. 150 Km entfernt von Shanghai und entwickelt sich immer mehr zur Industriestadt.

Dort leben ca. 8 Mio. EinwohnerInnen und man geht davon aus, dass etwa 7 Mio WanderarbeiterInnen (ohne Registrierung, bzw. Aufenthaltsgenehmigung) beschäftigt sind.

Auf einer Fläche von 280km2 haben sich in den letzten 20 Jahren 4500 ausländische Unternehmen angesiedelt. Zuvor gab es hier nur Reisfelder und Landwirtschaft.

Neben den Firmen bietet der Industrial Park eine Infrastruktur, wo man aus dem Staunen nicht herauskommt. Bewachte Wohnanlagen, großzügig angelegte Gärten inmitten moderner Architektonik. 15% des BIP von Suzhou kommen alleine aus diesem Industriegebiet.

Seit 2007 befindet sich die Firma MPCC (Tochterfirma Miba Gleitlager) in diesem Park.

Dort werden Gleitlager vorwiegend für den Chinesischen Truck-Markt und Sinterformteile für die Automobilindustrie gefertigt. Bedingt durch das rasche Wirtschaftswachstum in China sowie Verlagerungen der Schiffsmotorproduktion in den asiatischen Raum, ist bereits eine Produktionserweiterung um das 3-fache in der Umsetzungsphase.

In der Endausbauphase sollen 700 MitarbeiterInnen beschäftigt werde (derzeit 250).

Die Fluktuation ist auch bei MPCC ein großes Problem, obwohl sie um die Hälfte geringer ist als in anderen besichtigten Werken. Eine Vielzahl an Sozialleistungen, wie z.B.: Gratisessen in der Kantine, Zusatzversicherungen, Freizeitaktivitäten und Weiterbildungsmaßnahmen tragen zur Mitarbeiterzufriedenheit und Bindung an das Unternehmen bei. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass immer noch das Einkommen im Vordergrund der MitarbeiterInnen steht und die wichtigste Entscheidungsgrundlage für einen Arbeitgeberwechsel ist. Insbesondere die ständig steigenden Kosten für den Lebensunterhalt begleiten die ArbeitnehmerInnen täglich.

Johann Forstner (Betriebsratsvorsitzender MIBA Gleitlager GmbH)

Die gelbe Gefahr?

Just an dem Tag, an dem wir den Betrieb Canadian Solar besichtigten, verhängen die U.S.A Zölle auf Solarstromzellen und Solarstrommodule chinesischer Herstellung. Hintergrund ist der Vorwurf, dass chinesische Unternehmen aufgrund von staatlichen Subventionen Solarprodukte zu Dumpingpreisen auf dem Weltmarkt anbieten.[1] Dies wäre eine Wettbewerbsverzerrung und eine Gefährdung von Arbeitsplätzen zum Beispiel in den U.S.A. Politisch ein hochrelevantes Thema, vor allem in Wahlkampfzeiten.

Dass China als Gefahr für die westlichen Länder wahrgenommen wird ist nicht neues. Aktuell wird China vor allem aufgrund seiner wirtschaftlichen Entwicklung mit Argusaugen von den westlichen Ländern beobachtet. Vorausgesetzt Kriege und ökologische Katastrophen bleiben aus wird China voraussichtlich im Jahr 2030 die größte Wirtschaftsmacht weltweit sein. Damit würde China wieder eine ähnliche Position wie vor der Industrialisierung in Europa erreichen. Von Politiker/-innen und Wähler/-innen in Europa und U.S.A. wird dies oftmals als düstere Bedrohung interpretiert und China verantwortlich gemacht für stagnierende Löhne und Jobunsicherheit in den entwickelten Ländern. Für Schumann / Grefe[2] wird damit nur von der Untätigkeit in der Politik und den Ungerechtigkeiten im eigenen Lande abgelenkt. Notwendig sind hingegen konkrete Antworten auf die Arbeitslosigkeit und die Abstiegsängste von einem großen Teil der Bevölkerung in Europa und den U.S.A. Wie durch kluge Politik wirtschaftliches Wachstum und Beschäftigung gefördert werden kann hat China in der Finanzkrise vorgezeigt. So investierte China im Jahr 2009 rund 7,1 Prozent des BIPs in Konjunkturprogramme. Vergleichsweise waren es in der EU nur 0,9 Prozent und in der U.S.A. 2 Prozent des BIPs.[3] Entsprechend gering waren auch die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise in China. Anstatt von einer gelben Gefahr zu sprechen wäre es daher an der Zeit auch darüber nachzudenken, was wir von bestimmten Politikansätzen in China lernen können.

 

Von Dennis Tamesberger (AK OÖ)


[2] Vgl. Schumann, H. / Grefe, C. (2008): Der globale Countdown. Gerechtigkeit oder Selbstzerstörung – Die Zukunft der Globalisierung. Köln: Verlag Kiepenheuer & Witsch.

[3] Vgl. Saha, D. / Weizsäcker, J. (2009): Estimating the size of the European stimulus packages for 2009. dl.: http://aei.pitt.edu/10549/1/UPDATED%2DSIZE%2DOF%2DSTIMULUS%2DFINAL.pdf.

 

Zum Verständnis der derzeitigen Situation der Gewerkschaften und der Arbeitnehmervertretung in China

Der Allchinesische Gewerkschaftsbund ACFTU vertritt auf Grund seines Selbstverständnisses alle chinesischen ArbeitnhemerInnen. Wobei auf Grund der Rangordnung des Systems Partei und Regierung für die Ausrichtung der ArbeitnehmerInnenpolitik und damit auch für Löhne und Soziales zuständig sind. Die Gewerkschaft für die betriebliche Wohlfahrt, Arbeitssicherheit, Freizeit- und Kulturveranstaltungen. Lohn- und Gehaltsverhandlungen sind nicht Aufgabe der Gewerkschaft, deshalb auch nicht die Verhandlung von Kollektivverträgen. Die Gewerkschaft versteht sich daher auch nicht als Vertreterin der ArbeitnehmerInnen, sondern als Streitschlichterin, Vermittlerin, als „Feuerlöscher“. Deshalb drehen sich derzeit die großen Diskussionen gewerkschaftlicher Vertretung um die Eigenständigkeit des ACFTU von der Partei, um die Möglichkeit zu freien Gewerkschaftswahlen und um die Frage des Streikrechtes.

In der Geschichte des 1925 gegründeten Chinesischen Gewerkschaftsbundes gab es ein ständiges Auf und Ab, für die jüngste Zeit entscheidend war das Jahr 1982, in welchem das Streikrecht aus der Verfassung gestrichen wurde. Dies führte zu einer entscheidenden Schwächung der chinesischen Arbeiterschaft. Es wird auch behauptet, dass dies auch deswegen geschehen sei, um ausländische Investoren anzulocken. Im Jahre 2001 kam es zu einer Revidierung des Gewerkschaftsgesetzes, und „Arbeitsniederlegung“ und „Arbeitsverschleppung“ werden seitdem als legitim anerkannt. Damit ist die Situation derzeit also so, dass es zwar kein Streikrecht gibt, aber Streiks auch nicht per Verfassung verboten sind. Dementsprechend verunsichert und auch unterschiedlich reagieren auch die Regionalregierungen, die Polizei, die Partei und die offiziellen GewerkschaftsvertreterInnen in und außerhalb der Betriebe.

Seit der Zeit der wirtschaftlichen Öffnung und des damit auch verbunden beginnenden wirtschaftlichen und sozialen Aufstieges der „Arbeitermasse“ entsteht eine neue Generation von ArbeitnehmerInnen. Diese wird uns als zunehmend selbstbewusster und daher auch kämpferischer beschrieben. Es finden unzählige soziale Konflikte und Streiks statt, erklärt Chang Kai, Professor an der Renmin-Universität in Peking. Allein in Shenzhen finden etwa 100 Streiks pro Monat statt und für ganz China rechnet man mit ungefähr 100 000 Arbeitskonflikten pro Jahr (bei einer Beteiligung von mindest 300 Beschäftigten).

Die Einschätzungen über die Auswirkungen dieser massiven Aktivitäten gehen aber oft weit auseinander. Eher Übereinstimmung gibt es noch in der Feststellung, dass diese Vorgänge jetzt schon die politische Lage und Diskussion entscheidend prägen und verändern. Denn damit sammelt eine Unzahl von Beschäftigten eine reiche politische Erfahrung. Es wird auch festgestellt, dass derzeit oftmals die Reaktion der offiziellen Gewerkschaft, der Lokalregierungen und der Partei auf Arbeitskonflikte viel zurückhaltender ist als früher. Es zeigt sich, dass die Gewerkschaft von sich aus nichts unternimmt, eher auf der Seite des Unternehmens steht, und nur reagiert, wenn die Arbeitenden Druck ausüben. Was dies aber für die Weiterentwicklung der Gewerkschaft in nächster Zukunft bedeutet ist unklar. Da gibt es die einen, die den ACFTU für unreformierbar im Sinne einer Transformierbarkeit in eine echte Gewerkschaft halten. Für sie ist der ACFTU ein Anhängsel und Erfüllungsgehilfe der Partei und der Regierung und kann aus dieser Klammer nicht heraus.

Andere sehen Wege der Reform, indem sie fordern: a) die Wiedereinführung des Streikrechts; b) das Koalitionsrecht; c)das Recht auf kollektive Verhandlungen inklusive Lohnverhandlungen und d) die freie Wahl der GewerkschaftsvertreterInnen im Betrieb. Der Führungsanspruch der Partei dürfe dabei aber nicht in Frage gestellt werden.

In den bisher von uns besuchten Betrieben war die gewerkschaftliche Präsenz sehr unterschiedlich: bei Miba, SKF und Canadian Solar gibt es eine offizielle Gewerkschaft; in der SKF wurde laut Auskunft das Betriebskomitee gewählt. Bei diesen Mitgliedsunternehmen werden 2% der Lohnsumme für die Gewerkschaftsarbeit abgezogen, wobei ein erheblicher Teil im Betrieb (60%) und bei der regionalen Gewerkschaft (35%) verbleibt. Nur 5% gehen laut Gewerkschaftsstatut an die Zentrale in Peking. Exakte Angaben über diese Zahlen bekommen wir aber nie. Die Aktivitäten der Gewerkschaftskomitees werden uns immer beschrieben mit Organisierung von Firmenfeiern, Urlaube (Betriebsausflüge), Hilfe bei Kosten für Krankheiten der MitarbeiterInnen und Familienangehörigen..

 

Von Sepp Wall-Strasser (Weltumspannend arbeiten)

SKF in Shanghai

Alle TeilnehmerInnen sind noch frisch und munter, trotz des anstrengenden Programms. Gestern wurden sogar 3 Firmen besichtigt.

Identität in einer globalisierten Welt

Bereits nach dem Besuch von fünf internationalen Unternehmen in Shanghai und Suzhou beobachteten wir einen interessanten Weg des Miteinanders von Chinesen und Ausländern. So werden üblicherweise in internationalen Unternehmen Vornamen der chinesischen Mitarbeiterinnen nach Bedarf „verwestlicht“.

Das hört sich dann zum Beispiel folgendermaßen an: Frau Li Yan wird „Samira“ gerufen und aus Herrn Hong Gang wird „Teddy“.

Es sei für uns „Westler“ einfacher mit englischen Vornamen zu jonglieren als sich mit chinesischen Namen abmühen zu müssen. Machen wir es uns dadurch nicht etwas zu einfach? Könnte man es nicht auch so sehen, dass wir unseren chinesischen Kollegen auf diese Art ihre Namen wegnehmen? Und zwar Vornamen und Familiennamen. Und nachdem der Name Teil der Identität ist, verschwindet mit dem Namen auch ein Teil von ihr?

Woher nehmen wir „Westler“ uns dieses Recht? Warum lernen wir nicht, dass in China der Familienname immer vor dem Vornamen steht? Ist es tatsächlich so schwierig sich Namen zu merken? Liegt es nicht hauptsächlich an unserer Bequemlichkeit, dass wir den einfacheren Weg wählen?

Doch das Problem geht weiter: Auch wenn wir uns die Namen merkten, wüssten wir noch immer nicht, ob wir es mit einer Frau oder einem Mann zu tun haben. Aber dabei geht es uns wahrscheinlich nicht anders als unseren chinesischen Kolleginnen und Kollegen. Wie man hört, werden uns Ausländern im Gegenzug nämlich chinesische Vornamen verpasst. Ob das aus Gründen der Vereinfachung oder als „Revanche-Foul“ geschieht, sei dahingestellt.

Wäre es nicht an der Zeit, die Kulturen so anzunehmen wie sie sind? Und sollten wir nicht aufhören einer fremden Kultur unseren westlichen Stempel aufzudrücken, nur weil es sich im Moment problemloser anfühlt?

Monika Kern, Betriebsrätin AVL List GmbH

Reinhard Wimmler, Konzernbetriebsrat Vorsitzender, AVL List GmbH

 

Der Dominioeffekt der staatlichen Lohnpolitik

 Während vor einigen Jahren China noch das Land mit den unbegrenzten Arbeitskräften war, hat sich nun die Situation umgekehrt. Die Einkindpolitik der vergangen Jahre und der aufkommende Strukturwandel führen zu einer Verknappung an qualifizierten Arbeitskräften. Bei der ersten Betriebsbesichtigung der Firma Hörbiger Ventilwerke sticht ein Thema hervor: Wie können Mitarbeiter/-innen länger im Betrieb gehalten werden? Der Vizepräsident des Shanghai Standortes berichtet uns, dass speziell nach den Feiertagen zu „Chinese New Year“ viele Mitarbeiter/-innen nicht mehr zurück ins Werk kommen. Nach einem Jahr fällt für sie die Kosten-Nutzen-Überlegung oft negativ aus. Die hohen Lebenshaltungskosten in der Metropole und die Distanz zu ihren Familien am Land, können durch die Löhne kaum aufgewogen werden. Um Mitarbeiter/-innen länger an das Unternehmen zu binden, werden kreative Anreizmethoden angewandt. So ist es in vielen Betrieben üblich die Boni zu Jahreswechsel erst nach dem Urlaub auszubezahlen. Für die Betroffenen bedeutet dies, dass es für das traditionelle Familienfest zu „Chinese New Year“ knapp in der Geldbörse wird. Auf die Frage von uns, ob höhere Löhne auch eine stärkere Unternehmensbindung von Mitarbeiter/-innen erzielen können, wird auf die ohnehin steigenden Löhne in China verwiesen. Auslöser ist vor allem das staatliche Ziel, in den nächsten fünf Jahren die Mindestlöhne in China zu verdoppeln. Um dieses Ziel zu erreichen, veranlasst die chinesische Regierung staatliche Unternehmen die Löhne konsequent anzuheben. In der Konsequenz müssen auch private Unternehmen mit den Löhnen nachziehen um konkurrenzfähig um die Mitarbeiter/-innen zu sein. Im letzten Jahr sind aus diesem Grund die Löhne durchschnittlich zwischen 15 und 20 Prozent gestiegen. Für die Region Shanghai heißt das, daß Unternehmen damit rechnen, daß heuer der derzeit gültige Mindestlohn von etwa 1200 Yuan/Monat auf etwa 1400 Yuan ansteigen wird. Durch die staatliche Lohnpolitik wird somit ein Dominoeffekt in der gesamten Wirtschaft ausgelöst, der nicht nur eine positive Wirkung auf die Einkommen der Arbeitnehmer/-innen hat. Das Anheben der Mindestlöhne führt zu einer Reduktion der Armut und kurbelt die Wirtschaft zusätzlich durch den vermehrten Konsummöglichkeiten einer großen Bevölkerungsgruppe an. In der Zukunft wird dadurch vermutlich die Binnennachfrage die tragende Säule der Wirtschaft in China bzw. weltweit sein.

Von Dennis Tamesberger (AK OÖ)